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Wie eine Stadt die AfD kleinhält
In Münster und dem Umland erzielt die AfD seit jeher schwache Ergebnisse. Universitätsstadt, wohlhabend, wenig Abstiegsängste - das sind einige Erklärungen. Aber das kann doch nicht alles sein.
"Ganz Münster hasst die AfD", skandierten rund 5.000 Demonstranten und Demonstrantinnen auf dem Prinzipalmarkt mitten in Münster. Das war im Januar und richtete sich gegen den Thüringer AfD-Chef Björn Höcke, der gerade im historischen Rathaus am Neujahrsempfang seiner Partei teilnahm. Auf die Bühne der Kundgebung traten unter anderem Redner von Gewerkschaften, Grünen, SPD oder der evangelischen Kirche und katholischen Jugend auf. Im Publikum waren alle Generationen vertreten.
Und das war keine Ausnahme. In Münster ist der Protest gegen rechts mittlerweile tief verankert. "Wir haben hier eine sehr wache politische Bürgerschaft, die auch sehr schnell aktiv wird", sagt Carsten Peters von den Grünen. Er ist Sprecher des Bündnisses "Kein Meter den Nazis", das die Demo im Januar organisiert hatte.
So habe schon 2015 "Pegida" versucht, einen Ableger in Münster zu gründen, zumindest gab es die Gerüchte in Sozialen Medien. Das allein reichte, um Gegenprotest zu mobilisieren. Rund 10.000 Menschen hätten sich an einem Montagabend versammelt, um die mögliche Gründung zu verhindern, erinnert sich Peters. Und 2020 habe es in Münster ein Büro der AfD-Stadtratsabgeordnenten gegeben. Seit Bestehen traf sich einmal im Monat eine Bürgerintiative aus der Nachbarschaft zu einer Mahnwache, aus Protest gegen das Büro. Mittlerweile wurde es geschlossen, da nur noch ein Abgeordneter der AfD im Stadtrat sitzt.
Universitätsstadt, wenig Abstiegsängste
Bei der NRW-Landtagswahl 2022 kam die AfD in Münster gerade mal auf 2,2 Prozent, während CDU und Grüne jeweils über 30 Prozent holten. Bei der Bundestagswahl 2021 hatte die AfD noch 2,9 Prozent erreicht, vier Jahre zuvor waren es 4,9 Prozent. Der Trend gilt auch für das Umland.
Für dieses Wahlverhalten lassen sich schnell in Münster Erklärungen finden: In der Universitätsstadt lebt ein bürgerlich geprägtes gut gebildetes Publikum mit wenig Abstiegsängsten, da die Stadt wirtschaftlich prosperiert, wie Parteienforscher Martin Florack erklärt. Dazu kommt eine katholisch konservative Tradition, das "schwarze Münster", das schon in der Nachkriegszeit die CDU stark machte und die sich von rechten Parteien abgegrenzt hat - alles "immunisierende Effekte gegen ein Erstarken der AfD", sagt Florack.
"Bürgerschaftlicher Stolz"
Markus Lewe ist CDU-Politiker und Oberbürgerbürgermeister der Stadt. Er nennt es einen "bürgerschaftlichen Stolz", eine Schnittmenge zwischen einer gewachsenen sozialen Verantwortung, die es schon durch das Stiftungswesen im Mittelalter in der Stadt gibt und alternativen christlichen Gruppierungen aus der Friedensbewegung. Eine echte Wertegemeinschaft. Aber auf dieser Basis möchte er sich nicht ausruhen.
Lewe kam 2009 ins Amt, mittlerweile ist er auch Präsident des Deutschen Städtetages. Er weiß, selbst in Münster kann die Angst vor einer ungeordneten Zuwanderung schnell wachsen. "Das muss offen diskutiert und angesprochen werden und kann nicht unter den Teppich gekehrt werden", sagt er.
Anders als in vielen anderen Städten wurde in Münster schon in den 1990er-Jahren ein Konzept zur dezentralen Unterbringung von Flüchtlingen entwickelt, und zwar in jedem Quartier. "Das hat damals einen hohen Moderationsaufwand gekostet, aber es hat auch dazu geführt, dass die Thematik eine hohe Zustimmung in der Öffentlichkeit erfahren hat." Noch heute werden Themen der Flüchtlingspolitik erst als Konzept entwickelt und dann weitgehend im Konsens von den Parteien im Stadtrat verabschiedet.
Aktive Jugendverbände
"Viele AfD-Wähler haben ein Ohnmachtsgefühl und glauben, dass die AfD die richtige Antwort hat", sagt Anna-Lena Vering. Sie arbeitet für den Bund der Katholischen Jugend im Bistum Münster im Bereich kommunale Jugendpolitik.
Auch der BDKJ hat die Proteste gegen den Höcke-Auftritt im Januar unterstützt. Wo die Kirche noch gut besucht wird, kann sie wirken. Es gebe hier zahlreiche Jugendverbände, die etwa Ferienfreizeiten anbieten, in denen viel diskutiert werde und Jugendliche lernten, Verantwortung zu übernehmen. "Junge Menschen erleben Selbstwirksamkeit", sagt Vering und meint damit "dass das, was sie tun, wichtig ist". Auch die katholische Jugend hat keine Angst vor politischen Botschaften, 2021 rief man dazu auf: "Wir wählen! Nicht die AfD."
Münster sei ein hartes Pflaster, um Stimmen für seine Partei zu gewinnen, das weiß auch der AfD-Landesvorsitzende von Nordrhein-Westfalen, Martin Vincentz. Der 37-Jährige tritt pragmatisch und gemäßigt auf. Er gibt sich gelassen. Natürlich hätten viele Themen der AfD in der Universitätsstadt Münster nicht so eine Dringlichkeit wie andernorts. Aber auch im bürgerlichen Lager sieht er Chancen, dass sich Wähler der AfD zuwenden. "Ich glaube, da wo besonders linke Ideen ausgelebt werden, gibt es auch Menschen, die damit fremdeln und dann die AfD wählen." Auf Landesebene steigen gerade die Umfragewerte seiner Partei: Nach 5,4 Prozent bei der vergangenen NRW-Landtagswahl steht sie laut NRW-Trend von Infratest dimap im Juni bei rund 15 Prozent.
Auch Oberbürgermeister Lewe ist daher vorsichtig mit Jubelrufen. Wichtig sei jetzt, der AfD nicht zu viel Aufmerksamkeit zu schenken, sondern sich auf die Kernthemen der Partei zu konzentrieren, etwa wie man die wirtschaftliche Lage in Deutschland in den Griff bekomme. "Das ist doch das, was die Wähler und Wählerinnen wirklich wollen."
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